Forderungen

Auf Grund von multiplen ökologischen und sozialen Krisen befindet sich die Menschheit in einer kritischen Notlage. Mindestens sechs der planetaren Grenzen sind überschritten. Damit haben wir den Bereich verlassen, der für Menschen sicher ist. Akut sind über 3 Milliarden Menschen hochgradig durch diese Krisen gefährdet, daher braucht es sofortige strukturelle Veränderungen. Der weiter unten erläuterte sozial-ökologische Kollaps ist Ausdruck eines Systems massiver globaler Ungerechtigkeit und Ressourcenübernutzung. Die Politik muss, um diesen Kollaps zu verhindern, schnell und effizient handeln, und kann daher nicht von Lobbyismus bestimmt sein, sondern muss durch Bürger:innenräte unterstützt werden. Um den Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation zu verhindern ist ziviler Ungehorsam, bei ausbleibendem Handeln der Politik, das Recht aller Bürger:innen. Die bereits bekannten Maßnahmen, um einen Weg zu Klima- und sozialer Gerechtigkeit zu finden, müssen sofort umgesetzt werden, um eine sozial-ökologische Transformation zu bewirken. Wird dies weiterhin verzögert, muss die Wissenschaft und damit die Universitäten als Institutionen der Wissenschaft eingreifen. Gesellschaftlicher Wandel muss angestoßen und katalysiert werden. Daher stellen wir als TransformationsUniversität 2.0 verschiedene Forderungen an die Albert-Ludwigs-Universität, um einen sozial-ökologischen Kollaps, einen Zusammenbruch der Zivilisation und den Tod von mehreren Milliarden Menschen zu verhindern und ein würdevolles, ressourcenschonendes Leben für alle Menschen zu ermöglichen.

Ausrufung des sozial-ökologischen Notstands

Die Menschheit befindet sich in einer Notsituation: multiple ökologische und soziale Krisen gefährden akut das Leben von 3,3 bis 3,6 Mrd. Menschen (IPCC 2022). Denn in mindestens sechs planetaren Dimensionen haben wir den Bereich verlassen, der für Menschen sicher ist.

Konkret sind das: Biodiversitätsverlust, Klimawandel, Biogeochemische Stoffkreisläufe (Rockström 2009), Landnutzungsänderung (Steffen 2015), Eintrag von neuartigen Stoffen (Persson 2022) und Grünes Wasser (Wang-Erlandsson 2022).

Diese hochgradige, akute Gefährdung von 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschenleben (IPCC 2022) verlangt nach sofortigen strukturellen Veränderungen. Wenn wir nicht jetzt entschieden handeln, ist der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation das wahrscheinlichste Szenario (UN 2022, Cernev 2022). Hungersnöte, bewaffnete Konflikte und massenhafte Fluchtbewegungen kommen dann auf uns zu.

Der bevorstehende sozial-ökologische Kollaps ist Ausdruck eines Systems globaler und sozialer Ungerechtigkeit, das mit dem Kolonialismus begann und bis heute fortbesteht. Der globale Norden hat die Klimakrise durch seine historischen Emissionen größtenteils zu verantworten (Carbon Brief 2021). Sein Reichtum gründet nicht nur auf der Umweltzerstörung, sondern auch auf der massenhaften Ausbeutung von Arbeitskräften und der Missachtung von Menschenrechten. Menschen im globalen Süden hingegen leiden am stärksten unter der Klimakatastrophe. Einerseits sind die dortigen Gebiete besonders stark betroffen, andererseits ist es aufgrund der global ungerechten Verteilung von Wohlstand für Gesellschaften im globalen Süden oft unmöglich, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. 

Zu dieser globalen Ungerechtigkeit kommt die extreme soziale Ungleichheit auch in den westlichen Industrienationen wie Deutschland hinzu. Die reichsten Menschen in Deutschland verbrauchen die meisten Ressourcen und emittieren die meisten Treibhausgase (Umweltbundesamt 2016). Damit sind sie die Hauptverursacher:innen der ökologischen Krise. Gleichzeitig treffen die Folgen der Klimakrise die ärmsten Menschen am stärksten. Sie leiden besonders unter steigenden Preisen und können sich am schlechtesten vor extremer Hitze oder klimawandelbedingten Naturkatastrophen schützen. Diese wachsende Ungerechtigkeit ist moralisch nicht hinnehmbar und birgt die Gefahr von massiven sozialen Verwerfungen, die mit ihrem demokratiegefährdenden Potential sowohl den Bemühungen des Klimaschutzes, als auch der gesamten Gesellschaft schwerwiegenden Schaden zufügen können.

Wenn die Politik im Angesicht dieser massiven Gefahr für die ökologischen und zivilisatorischen Lebenssysteme (denen auch der so wichtige universitäre Betrieb zuzurechnen ist) nicht handelt, ist es das Recht aller Bürger:innen, aktiv zu werden: im Rahmen selbstbestimmten demokratischen Handelns bis hin zu zivilem Ungehorsam. Widerstand gegen die lebensgefährliche Politik ist notwendig, und alle zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und Institutionen, gerade auch die Universitäten als Hüterinnen der Wissenschaft, stehen nicht zuletzt im Sinne des Selbstschutzes in der Verantwortung, sich für eine angemessene politische Reaktion auf die sozial-ökologische Krise einzusetzen. 

Der Weg zu Klima- und sozialer Gerechtigkeit ist bekannt, auch weil die Ursachen, Symptome und notwendigen Maßnahmen seit Jahrzehnten von Universitäten erforscht werden. Doch wir brauchen den Mut und die Entschlossenheit, ihn zu gehen. Die Maßnahmen für die sozial-ökologische Transformation sind dabei vielfältig: technische, politische und gesellschaftliche Veränderungen sind notwendig. 

Strategien für Klimaneutralität dürfen nicht auf noch nicht existierenden Technologien aufbauen. Denn wann und in welchem Maße diese verfügbar sein werden, ist zu unsicher, um das Überleben von Milliarden Menschen daran zu knüpfen. Die weitverbreitete Technologiegläubigkeit, die auch durch Universitäten gefördert wird, steht dem notwendigen echten Wandel daher im Weg. Wie vom Weltklimarat festgestellt, sind alle Technologien, die notwendig sind, um CO2-Neutralität zu erreichen, bereits vorhanden. Sie müssen nur noch großflächig eingesetzt werden.

Auf politischer Ebene sind Bürger:innenräte ein sinnvolles und bewährtes Mittel, um den übermäßigen Einfluss von Lobbyismus auf die Politik einzuschränken. Sie schaffen zudem gesellschaftlichen Rückhalt für die notwendigen Veränderungen, stützen die gesellschaftliche Vielfalt auch in der Politik und können sich so zu einer nachhaltig tragenden Säule der Demokratie entwickeln.

Gesellschaftlich sind die notwendigen Strategien zur Überwindung der Krisen insbesondere Suffizienz, die damit verbundene Einschränkung von Hyperkonsum sowie Umverteilung.

Weil schon mehrere planetare Grenzen überschritten worden sind, müssen insbesondere Industrienationen ihren Ressourcenverbrauch drastisch senken. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes darf nicht weiterhin die dogmatische Maxime unseres Wirtschaftens sein. Stattdessen muss sich der Umgang mit Ressourcen daran orientieren, ein Leben in Würde für alle Menschen zu ermöglichen, ohne die Grenzen des Planeten zu überschreiten. Um dies zu erreichen, müssen Gesundheit, ökonomische Absicherung, soziale Gerechtigkeit, ein Leben in Frieden, eine intakte Umwelt und Bürger:innenrechte für alle Menschen gewährleistet werden.

Das Konsum-Niveau des Globalen Nordens ist nicht für alle Menschen erreichbar, ohne dass die Grenzen des Planeten überschritten werden. Daher ist globale Umverteilung essenziell.

Als Institutionen, die durch Forschung und Lehre dem der Wirtschaftlichkeit übergeordneten Fortschritt der Gesellschaft verpflichtet sind, stehen Universitäten in der Verantwortung, diese notwendigen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen voranzutreiben. Denn Wissen bedeutet Macht, und mit Macht geht Verantwortung unstrittig einher.

Daher muss sich die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg klar zur sozial-ökologischen Transformation bekennen. Die Albert-Ludwigs-Universität muss den sozial-ökologischen Notstand ausrufen und ihre Lehre wie auch ihre Außenkommunikation nach den notwendigen Handlungsmaximen eines solchen Notstandes ausrichten.

Zudem muss § 2 Art. 3 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität zu folgendem Wortlaut geändert werden: „Unter Wahrung der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) sind Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung auf friedliche und die Lebensgrundlage sichernde Ziele ausgerichtet.

Daher verpflichtet sich die Universität, den Schutz der globalen Ökosysteme voranzutreiben und soziale Ungleichheiten global und national zu bekämpfen.“

Aufgrund der Dringlichkeit der sozial-ökologischen Krisen und der unmittelbaren Gefahr für Milliarden von Menschen, muss Nachhaltigkeit zu einem weiteren Leitprinzip der Universität werden. Nachhaltigkeit muss neben dem Leitprinzip der Chancengleichheit (vgl. Grundordnung § 2 Abs. 4) in die Grundordnung der Universität aufgenommen werden. 

Im Leitbild des Lernens und Lehrens ist die Verantwortung der Universität gegenüber Ressourcen und Nachhaltigkeit bereits erwähnt. Allerdings kommt die Universität Freiburg damit nicht der Verantwortung nach, die sie als Institution der Wissensproduktion und Wissensvermittlung trägt. Die wichtigste Aufgabe der Universität Freiburg in Bezug auf Nachhaltigkeit besteht darin, sich mit dem Wissen, das sie generiert, und der Macht, die sie hat, für den sozial-ökologischen Wandel einzusetzen. Die Universität Freiburg muss die gesellschaftliche Veränderung anstoßen und katalysieren, deren Notwendigkeit sie seit Jahrzehnten erforscht. Denn Wissen darf nicht in Büchern verstauben und in Hörsälen verklingen. Wissen muss in die Gesellschaft getragen werden, um Wandel zu bewirken, der eine offene demokratische Gesellschaft und deren Lebensgrundlagen schützt. Und damit nicht zuletzt den universitären Betrieb sichert. Die Universität Freiburg muss sich als führende Akteurin für politischen und gesellschaftlichen Wandel verstehen und sich der transformativen Wissenschaft verpflichten. Daher muss das Prinzip der transformativen Wissenschaft im Leitbild des Lernens und Lehrens festgeschrieben werden.

Die Universität Freiburg muss an die deutsche Bundesregierung appellieren, den sozial-ökologischen Notstand auszurufen. Denn wir haben einen planetaren Notfall und müssen jetzt alle Mittel mobilisieren, um diesem zu begegnen. Dies bedeutet konkret, dass die Bundesregierung bei der Klimapolitik wissenschaftliche Prinzipien achten muss.Damit muss die Bundesregierung transparent darlegen, welche Temperatursteigerung mit welcher Wahrscheinlichkeit dem Klimaschutzgesetz zu Grunde liegt. Nach Klimagerechtigkeitskriterien beträgt das Restbudget für 1,5°C mit einer 2/3 Wahrscheinlichkeit 2 Gigatonnen CO2e für Deutschland (SRU 2022).

Zudem muss das Rektorat stellvertretend für die gesamte Albert-Ludwigs-Universität Freiburg an die internationale Staatengemeinschaft appellieren, das Pariser Klimaabkommen zu einem verbindlichen Klimavertrag weiterzuentwickeln. Dazu gehört zunächst eine wissenschaftlich präzise Zielformulierung. Das Gesamtbudget an CO2e Emissionen ergibt sich aus dem maximalen

Temperaturanstieg von 1,5° C mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 %. Es beträgt 400 Gigatonnen CO2e ab dem Jahr 2020 (SRU 2022). Dieses wird gemäß dem

Gleichheitsprinzip auf die Mitgliedsstaaten verteilt. Bei Nicht-Einhalten des Budgets müssen pro übermäßig emittierter Tonne CO2 680 € in einen globalen Klimafond gezahlt werden (UBA Methodenkonvention 3.1 2020). Außerdem muss vertraglich festgehalten werden, dass die Industriestaaten dem Globalen Süden eine Klimafinanzierung in angemessener Höhe leisten. Diese Finanzierung muss transparent gemacht werden und strengen Kriterien genügen (das heißt: keine Anrechnung von Krediten bzw. Darlehen).  

Hiermit fordert die TransformationsUniversität 2.0 das Rektorat der Universität Freiburg auf,

  • den sozial-ökologischen Notstand auszurufen und diesen öffentlich in Text- und Videostatement zu verbreiten.
  • § 2 Abs. 3 der Grundordnung zu folgendem Wortlaut zu ändern: „Unter Wahrung der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) sind Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung auf friedliche und die Lebensgrundlage sichernde Ziele ausgerichtet. Daher verpflichtet sich die Universität, den Schutz der globalen Ökosysteme voranzutreiben und soziale Ungleichheiten global und national zu bekämpfen.
  • den obigen Bericht in auffälligen Farben auf A0-Plakaten an jeden Ein- und Ausgang aller universitären Gebäudes spätestens zum 30.07.2022 auszuhängen, so lange bis die notwendigen Maßnahmen getroffen worden sind, um die sozial-ökologische Krise zu bewältigen. Der Fortschritt soll von TransformationsUniversität 2.0 und dem Rektorat der Albert-Ludwigs-Universität jährlich gemeinsam geprüft werden. 
  • eben jenen Bericht in digitaler Form an alle Lehrenden, Studierenden und Arbeitenden der Universität Freiburg sowie an alle Partner:innen aus Wirtschaft, Politik und Lehre zu senden.
  • sich der transformativen Wissenschaft zu verpflichten und dies im Leitbild des Lernens und Lehrens festzuschreiben. Daraus folgt, dass Interventionen der Wissenschaft im Angesicht der sozial-ökologischen Krise in soziale und politische Prozesse gerechtfertigt sind. 
  • an die deutsche Bundesregierung zu appellieren, den sozial-ökologischen Notstand auszurufen.
  • an die internationale Staatengemeinschaft zu appellieren, das Pariser Klimaabkommen zu einem Klimavertrag weiterzuentwickeln. 

Quellen     

Lenton 2019, https://media.nature.com/original/magazine-assets/d41586-019-03595-0/d41586-019-03595-0.pdf  

Rockström 2009, https://www.nature.com/articles/461472a

Steffen 2015, https://www.science.org/doi/10.1126/science.1259855

Persson 2022, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.1c04158

Wang-Erlandsson 2022, https://www.nature.com/articles/s43017-022-00287-8#:~:text=The%20green%20water%20planetary%20boundary,any%20month %20of%20the%20year.

IPCC 2022, https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2/resources/spm-headline-statements/#:~:text=Approximately%203.3%20to%203.6%20billion,are%20interdependent%20(high%20confi dence).

UN 2022, https://www.undrr.org/gar2022-our-world-risk#container-downloads

Cernev 2022, https://www.undrr.org/publication/global-catastrophic-risk-and-planetary-boundaries-relationship-global-targets-and

Carbon Brief 2021, https://www.carbonbrief.org/analysis-which-countries-are-historically-responsible-for-climate-change/

SRU 2022, https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf?__blob=publicationFile&v=15

UBA Methodenkonvention 3.1 2020, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-12-21_methodenkonvention_3_1_kostensaetze.pdf

UBA 2016, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/texte_39_2016_repraesentative_erhebung_von_pro-kopf-verbraeuchen_natuerlicher_ressourcen_korr.pdf